RATA Nr. 3 – Sieg mit Rekordzeit
Im Ziel nach 20 Stunden und 40 min, nach 532 km und 13600 Hm
Bilder von Peter Spangenberg, Arno Burgi, Marco Petzold.
Wer einen klassischen, chronologischen Rennbricht sucht, wird (noch) nicht fündig. Bereits vor einer guten Woche habe ich eine erste Einschätzung zum RATA gegeben. Diese ist hier nachzulesen.
Neben diesen ersten Eindrücken, nun zwei Wochen nach dem Race across the Alps ein paar weitere tiefgehendere Zeilen und Fotos von mir…
„Ein Glück!“ – Das war mein Gedanke, als mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit am Tag vor dem RATA fest stand, das auch meine dritte Teilnahme beim 532 km langen Ritt über die Alpen durch gute Wetterbedingungen Unterstützung erfahren würde. Drei Jahre RATA, drei Jahre kein Regen und ziemlich warme Temperaturen, so wie ich es mag. Keine Selbstverständlichkeit. Ich fürchtete mich vor Dauerregen, nassen Passabfahrten und nächtlichen Temperaturen um die Null Grad im Hochgebirge. Es war weniger die Angst, den Bedingungen mental nicht gewachsen zu sein, als die Sorge, keine Rekordbedingungen zu haben. Es geht um selbstgesteckte Ziele und großen Ehrgeiz. Was motiviert mich noch mit soviel Engagement Rad zu fahren und zu trainieren? Langfristig noch immer der Wunsch, das eigene physiologische Leistungslimit zu erfahren. Wie viel Watt pro Kilogramm kann ich im austrainierten Zustand über einen gewissen Zeitbereich leisten? Ich will in dem Bericht nicht großartig mit Zahlen um mich werfen. Wer daran interessiert ist, schaut auf Strava nach. Nur eines. Es geht weiter vorwärts – Jahr für Jahr. Eine schon sehr theoretische Zielstellung ist das, die mich über Jahre verfolgt und die gegenwärtig nicht immer genug Motivation ausschüttet, so zu trainieren und zu leben, wie es nötig ist. So sind es kurzfristig jedes Jahr ein bis zwei Saisonhighlights, auf die ich mich mit viel Einsatz fokusiert vorbereite. Wo ich etwas erleben möchte, Spaß und große Erfüllung suche und dort in letzter Konsequenz auch abliefern will. Leistung, keine heiße Luft, keine Show ohne Inhalt.
Von diesen Saisonhighlights habe ich konkrete Bilder vor Augen. Bilder, die je näher das Event rückt, immer schärfer werden und mich antreiben. Das Bild vom RATA 2017 am Tag vor dem Start: Wie ich auf Rekordkurs liege, meinen Zeit- und Wattplan Pass für Pass abarbeite. Bilder von der Auffahrt zum Umbrailpass am frühen Morgen, wie hier von 2015.
Ebenso die Vorstellung, wie ich spätestens 9:59 Uhr nach weniger als 21 Stunden Fahrzeit das Ziel erreiche. Wo ich aber auch ganz bewusst Zeit mit meinem Team verbringe und wir wie Zahnräder in einem Getriebe zusammenarbeiten und funktionieren.
Eine hohe Zielstellung, die mich sicher mental schnell in Bedrängnis bringen kann, wenn es mal nicht nach Plan läuft. Doch außer Materialdefekt, Sturz oder Probleme mit der Schweinekarre existierte für mich keinen Grund, warum es im dritten Jahr nicht hätte besser laufen sollen als in den Vorjahren. Ich war gesund in der Vorbereitung, die Motivation und Vorfreude waren riesig. Wir waren ein eingespieltes Team und wussten was wir tun.
Neben dem üblichen Chaos in meinem unordentlichen Schweinestall und doch einiger Hektik bis zum Start des Rennens, war das, worauf es ankommt, gut durchgeplant und ich konnte mich abermals auf das Team verlassen. Allen voran auf Hilde am Steuer der Schweinekarre, der mich bisher bei jeder RATA Teilnahme begleitete und zumindest nach außen eine routinierte Gelassenheit ausstrahlt. Dazu Holger und Marco, die zum zweiten mal dabei waren. Holger, der Plempenmeister. Gib ihm eine Aufgabe und er wird sie erfüllen. Ohne Zweifel die totale Zuverlässigkeit. Marco, der die Nächte vor dem Rennen in Nauders bis tief in die Nacht vorm Laptop saß, Videos schnitt, an denen wir uns jeden Morgen mit Gänsehaut ergötzen konnten und die zeigten, was wir hier tun: Gemeinsam mit Freude ein Ziel zu erreichen. Und dann war da noch Peter in der Schweinekarre, den ich als Menschen sehr, sehr schätze. Der selber sagt, das die Tage in Nauders mit dem RATA sein persönliches Saisonhighlight ist. Ein starkes Bekenntnis auch an mich. Ein starkes Team! Erwähnt werden soll auch noch der andere Teil der Schweinebande, der in Nauders war, um den Dreiländergiro zu fahren, aber der auch mit anpackte, wenn es für das RATA noch etwas vorzubereiten gab. Tee kochen, Schlauchreifen kleben, Lenkerband wickeln oder Schweineplempe anrühren.
Speziell Thomas, mein Trainingspartner Nr. 1 sollen noch ein paar Worte gehören. Wir sprechen auf dem Rad und im Training ein und die selbe Sprache, was schon ein hammergeiles Gefühl ist. Wir bestreiten wichtige Trainingseinheiten zusammen. So wie die letzte 180 km Runde vorm RATA, die uns beiden zeigte, zum richtigen Zeitpunkt topfit zu sein. Es sind seine guten Klamotten, die mich Jahr für Jahr durch die kühle Nacht im Hochgebirge bringen, seine Lupine, die mir Licht im Dunkeln macht.
Im Dunkeln am Flüelapass steht er dann auch selber höchstpersönlich und macht mir Licht. Er feuert mich mit einer persönlichen Freude an, mit Worten, die genau richtig klingen, damit der müde Körper auch nach vielen Stunden weiter permanent 200 Watt aufs Pedal bringt und nicht der Bequemlichkeit nachgibt. Eine Schweinearbeit. Minute für Minute, Kilometer für Kilometer, Pass für Pass. Zu den frühen Morgenstunden deutlich auf Rekordkurs.Vom RATA selber könnte man noch viel schreiben. Von einzelnen Fans entlang der Strecke, die mich anfeuern. Oder von einer ganz besonderen Begegnung, als am fast 40 km langen Berninapass ein uns unbekannter Mopedfahrer den Bewegungsmelder an den roten Ampeln vor den zahlreichen Baustellen auslöste. Er war immer dann da, wo mich eine rote Ampel auszubremsen drohte und sonst nicht zu sehen. Er muss gewusst haben, wer wir sind und welches Ziel wir hier verfolgten. Vielleicht zeigt sich dieser ja irgendwie erkenntlich, wenn er den Bericht hier liest.
Wen es interessiert, ich musste mich dieses Jahr nicht Übergeben beim RATA. Ein Novum. Aber aus Fehlern lernt man. Erfahrung zahlt sich aus. Allein der letzte Satz ist für einen Großteil des Zeitgewinns verantwortlich. 46 min schneller als im Vorjahr. Noch war nicht alles super und das RATA kann man auch noch etwas schneller fahren, aber allein das reizt mich wohl nicht mehr und ich weiß, das die Bedingungen eben auch mal sehr viel schlechter sein können und man dann ein anderes Ziel braucht, weil die Endzeit unweigerlich langsamer werden würde. Übrigens habe ich dieses Jahr wenig vom Sternenhimmel am Bernina gesehen. Die Anspannung war zu hoch, um genießen zu können. Genießen konnte ich in Ansätzen erst im Ziel, morgens 9:40 Uhr bei unerwartet doch schon vielen Zuschauer und einigen bekannten Gesichtern in Nauders. Wir empfangen noch Patrick Hagenaars und Matze Reinfried. Das war schön. Es war meist ein entspanntes Rumsitzen im Zielbereich, wo die Zeit nur so verflog.
Immerhin, ein fast kompletter sonniger Samstag stand uns noch in Nauders bevor. Essen, Schlafen, Siegerehrung, Essen, Essen, Essen. Ein Tag voller Zufriedenheit. Zwar mit sehr leeren und schweren Beinen, denn am Umbrail und Stelvio hatte ich die letzten Körner verbraucht und am Reschenpass lief nicht mehr viel zusammen, aber ohne echte Schmerzen nach der Tortour. Gesund und fit sein. Ein Privileg. Auch ein Glück.
Ob ich nochmal beim RATA starten werde, halte ich mir übrigens offen. Auch wenn es in einigen Presseartikeln steht oder sich manch einer wünschen würde, das die Dresdner Dominanz ein Ende hat, einen vierten Start in Nauders habe ich in Frage gestellt, aber zu keinem Zeitpunkt ausgeschlossen. Ich müsste mit einer etwas anderen Zielstellung an das Rennen heran gehen, um mir nicht unendlich viel Druck aufzuladen.
Die Schweinebande kommt gern nach Nauders und das RATA hat einen Platz in meinem Herzen. Wir werden sehen, was sich noch für Herausforderungen fürs kommende Jahr finden lassen und vielleicht sitze ich selbst in der Schweinekarre und verfolge ein Petz-Schwein? Zukunftsmusik. Nachdem ich mich jetzt zwei Wochen lang gut regeneriert und Kraft geschöpft habe, die Waage wieder zwei Kilo mehr als in Nauders anzeigt, heißt es jetzt mit Volldampf zum zweiten Formpeak Richtung Krusnoton und Ötzi. Ich hab sehr scharfe Bilder vor meinen Augen.
Sehr schöner Bericht Robert. Es war mir eine Ehre. Egal wohin dein Weg führen wird, „Plempie“ gibt auch da Vollgas 😉
VG Holle
Gänsehaut pur! Als wenn man selbst dabei gewesen wäre – und froh ist, ob der Quälerei dich nicht hat leiden gesehen. Allergrösster Respekt!
Gruß Heiko
Wenn man im Winter diese Zeilen liest, wird einem gleich ganz warm ums Herz. Für mich waren es die emtionalsten Momente, die ich mit Thema Rennrad in Vernbindung bringe. Alles scheint so ewig weit weg, wie im Traum, aber der Traum geht ja weiter. 😉