Brockensturm zum 1. Mai
Höchster Gipfel Norddeutschlands
Der Brocken ist mit 1141 m der bekannteste und größte Berg im Harz. Durch seine exponierte Lage in der Mitte Deutschlands übt er eine besondere Faszination und Attraktion auf bergwütige Rennradfahrer aus Norddeutschland und sogar bis nach Dänemark aus. Wir Dresdner sind mit dem Erzgebirge und den böhmischen Gebirgen eigentlich sehr gut bedient und könnten uns die öde 250 km Anfahrt in den Harz sparen, aber vielleicht ist es gerade diese besondere Streckencharakteristik mit einer langen flachen Anfahrt und einem bergigen Finale, die uns Dresdner Marathonösen regelmäßig in den Harz pilgern lässt.
Seit 6 Jahren steht der Brocken auf der Jahresagenda. Als über 300 km lange Tagestour mit anschließender Zugrückfahrt stets ein langer Tag, der regelmäßig kurz vor 4 Uhr mit dem Wecker klingeln beginnt und im Idealfall mit einem Sonnenaufgang auf dem Bock so richtig Fahrt auf nimmt und auf dem Brocken seinen Höhepunkt erreicht.
Es ist der 1. Mai 2017…
… der Schlaf war – wie so oft vor so einem Abenteuertag – recht flach und man wartet regelrecht auf das erlösende Weckerklingeln. Alles ist am Abend vorher zurecht gelegt, damit es früh auch wirklich schnell geht. Der 10l Rucksack ist gepackt, die Flaschen bereits mit süßer Schweineplempe gefüllt. Ein Haufen Bekleidung liegt auf dem Boden, in der Reihenfolge, wie man die Kleidungsstücke anzieht. Also oben die Radhose und der Pulsmesser, unten die Überschuhe. Der Wecker klingelt. Vom Bett aufs Klo, Sachen anziehen, Garmin anmachen. Der zeigt 2:07 Uhr!? Irritiert. Ein weiter Blick auf die Küchenuhr macht die geistige Verwirrung komplett. Es ist wirklich kurz nach zwei. Der Wecker ist noch gestellt auf vor 4 Uhr. Er kann noch gar nicht geklingelt haben. Was sich da in meinem Kopf abgespielt haben mag, aber es war nicht mehr als eine Illusion. In Radklamotten lege ich mich also wieder ins Bett und versuch nun bis 4 Uhr noch etwas Schlaf zu finden.
4:45 Uhr Treffen wir uns an der Flügelwegbrücke in Dresden. Wir, das sind die Petz-Schweine Arno, Mario, Frank, Alex und Hilde, die schon auf mich warten. Mit etwas Verspätung stechen wir in die B6. Unsere Straße für die nächsten 80 km bis nach Wurzen. Die Vorfreude auf den Tag war riesig und große Töne wurden im Vorfeld gespuckt. Straffer Südostwind wurde prognostiziert. Ein 35er Schnitt sollte daher unser Zugschwein Mario in den Asphalt brennen, ansonsten würde es Ärger vom Coach geben. Für Mario war die Brockentour ein sehr gutes Training und eine Probe für die Elbspitze. Welche Leistung kann der Körper über wieviele Stunden leisten und wo liegen die Grenzen. Für mich hatte die Brockentour dieses Jahr kein tieferen Trainingszweck. Es war eher ein lockeres mitrollen und als Genuss- und Gruppentour angelegt. Vom vorhergesagten Rückenwind war vor Sonnenaufgang noch nicht so viel zu spüren. Dafür gab es hinter Meißen Entschädigung durch einen traumhaften Sonnenaufgang und eine nahezug verkehrsfreie B6. Wahrlich purer Genuss und Lohn für das frühe Aufstehen.
So vergingen die Kilometer rasch. Oschatz, Wurzen, Eilenburg. Der Wind frischte auf und wir näherten uns dem vorhergesagten 35er Schnitt an. Mario zog die Gruppe vorbildlich Richtung Harz. Nördlich von Leipzig standen nach knapp 4,5 Stunden Fahrzeit bereits über 130 km auf dem Tacho. Zeit für die erste Tankstellenpause. Tankstellen sind zum Feiertag die einzigste zweckmäßige Möglichkeit für eine schnelle Rast und Nachschub an Getränken und Essen. Wir lagen gut in der Zeit und ich als eigentlicher Pausenfeind auf Langstrecke war recht entspannt, sodass es fast 30 min Pause gab, wo Arno den Unterhalter spielte und mit seinem Handy interessante Fotos machte.
Weiter ging es mit dem Wind, der nun wirklich aufrischte und zu einer entspannten 40 in der Ebene einlud. Beste Laune. Wir rauschten über Brehna nach Könnern und von dort weiter nach Aschersleben, wo es nun leicht hügelig wurde, was uns nicht davon abhielt, den Schnitt noch auf über 36 km/h zu treiben. Das das ganze nicht nur durch den Rückenwind zustande kam, bestätigte auch Marios Leistungsmesser, der 250 Watt über 7 Stunden registrierte und am Harzrand in Bad Suderode erste Müdigkeitserscheinungen bei unserem Megawattschwein sichtbar werden ließ. Guter Job vom fleißigen Mario, der damit für die Elbspitze im Plan liegt und dennoch aufzeigt, das auch er ein klares physiologisches Limit besitzt und mit seinen Kräften geschickt haushalten muss, um die über 700 km lange Elbspitzdistanz im Juli ohne größeren Einbruch bewältigen zu können.
In Thale machten wir die zweite Pause. Km 244. Die Früchteteeplempe, von der ich mich bis dato ausschließlich ernährte, schmeckte zwar noch lecker und war gut bekömmlich, aber was soll der Geiz und die Selbstgeiselung durch ausschließliche Flüssignahrung – die Saison ist noch lang – gönnte ich mir ein Eis und eine Packung Gummibärchen.
Mental wie körperlich gestärkt, stand uns nun der Schlussabschnitt bevor. Via Rosstrappe, Rappbode-Talsperre, Rübeland, Drei Annen Hohne nach Schierke und dort die 10 km zum Brocken hinauf. 65 km mit immerhin 1500 Höhenmetern. Vor ein paar Jahren pochte das Herz noch höher, wenn es endlich in den Harz ging und es unbekannte Anstiege zu erkunden gab. Ich müsste lügen, wenn das immer noch so ist. Mir ist zwischen Thale und Schierke alles bestens bekannt. Routine hat sich eingeschlichen. Der Harz ist zwar landschaftlich schön, aber der starke Verkehr teilweise sehr störend. Ich legte an der 9% steilen Straße zur Rosstrappe 310 – 320 Watt an und erfreute mich daran, wie leicht das lief. Knapp unterhalb der FTP rollte es auch nach vielen Stunden Anfahrt nun gut bergauf und Frank hielt mein Hinterrad. Ich stellte fest: Die Bergform passt – bei uns beiden! Ich nahm für die restlichen Hügel raus und rollte mit der Gruppe nach Schierke. Für Mario, Arno, Alex und Hilde war der Harz und der Brocken Neuland und so galt es die Gruppe zum Brocken zu führen und im Team ein schönes Erlebnis mit den anderen zu teilen, was definitiv auch gelang!
In Schierke angekommen fuhr jeder sein Tempo. Alex durch ein Rennen zwei Tage zuvor nicht ganz frisch und Mario mit bereits erledigten Tagwerk als Petz-Lokomotive. Beide ließen es gesittet angehen. Im Quartett mit Arno, Hilde und Frank machte ich ab der Schranke in Schierke etwas Druck. Ich freute mich riesige auf die erste Bergauf-Serpentine, die man bei etwas Tempo fast anbremsen muss. Tempo war das Motto. 270 Watt. L3. Frank hielt gut mit und ich freute mich, das er am Hinterrad hing und kämpfte. Diese Bemühungen sehend, wollte ich auf ein Solo verzichten, wenngleich es mich auch nach 7 Jahren Rennrad am Berg noch juckt einfach loszuknallen, wenn einer hinter mir schwer atmet. Vorallem wenn es wie am Brocken unzählige „Fans“ gibt, die einem Beachtung schenken. Zumindest kann man sich das genauso einbilden, wie ein Weckerklingeln kurz vor 2 Uhr 😉 2 km vor dem Gipfel hatten sich meine Überlegungen aber eh erledigt. Bei meinem „stets top gewarteten“ Material riss mal wieder der hintere Schaltzug und mit 34:12 durfte ich nun die letzten steilen Abschnitte meistern und war froh, das ich nicht absteigen musste und die Knie nicht explodierten. Wiegetritt, Schlangenlinien und mit einer TF von teilweise unter 30 Umdrehungen pro Minute wuchtete ich mich und das Rad auf den Gipfel, wo kurz danach auch Frank und die anderen eintrudelten und wir uns zu diesem geilen Brockenritt beglückwünschten.
Da es doch schnell recht frisch wurde, hielten wir uns nicht allzu lange auf dem Gipfel auf und rollten noch die restlichen Kilometer nach Wernigerode hinab. Kurze Irrfahrt durch die Stadt, eine schlechte Dönerbude, ein ganz gutes Softeis, Besserwisser und für die Rückfahrt im Zug noch ein Liter H-Milch für nen Euro beim Vietnamesen und ein halbes Brot beim Bäcker gekauft. Die Zeit rannte. 17:30 Uhr. Ab zum Bahnhof! Chaos am Ticketautomaten und dann dichtes Gedränge im Zug. Aufregend und Arno vor der Klotür exrem unterhaltsam. Das gehört zu einem gelungen Tag einfach dazu.
Gegen 23 Uhr war ich wieder zu Hause und gegen 24 Uhr schlief ich extrem tief und lange, wie es ohne größere körperliche Anstrengung eher selten der Fall ist, aber nach 330 km mit knapp 3000 Höhenmeter und einem 33er Schnitt einfach nur natürlich ist.
Kommende Termine
Am 14. Mai findet die 3. Vorbereitungstour der Elbspitze statt. 300 km im Erzgebirge mit den Klassikern Meluzina und Klinovec. Die Rückfahrt führt unter anderem über Bernsbach, dem schwersten Berg Sachsens. Für mich ein idealer Abschluss des 3-wöchigen ersten Aufbaublocks.
Infos unter: www.elbspitze.de
Eine Woche später, am 21. Mai, geht es nach Krupka, wo das Bergzeitfahren zum Mückentürmchen stattfindet und Petz Racing wieder eine große Mannschaft stellen wird. 5,5 km, 505 Höhenmeter im Massenstart. Die Leistung passt soweit, am Gewicht wird gerade noch etwas gefeilt, damit auch in diesem Jahr wieder eine schnelle 18 min Zeit in den Asphalt gebrannt werden kann und mit etwas Glück und guten Bedingungen vielleicht sogar erstmalig die 17 min Schallmauer fällt.
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