2015 sollte es endlich mal klappen mit der Teilnahme am Krusnoton. Der Marathon mit der größten „Überhöhung“ in Tschechien. Schon seit einigen Jahren wusste ich von diesem Rennen im tschechischen Erzgebirge. Ein echter Geheimtipp! 250 km mit 4700 Hm. Vergleichbar mit Marathons in den Alpen. Nur alles viel herzlicher, besser organisiert, preiswerter und vorallem auch nicht so weit weg. Durch Trainingsrunden war mir schon 95% der Strecke bekannt und ich wusste was mich erwarten würde.
Die Wettervorhersage eine Woche vor Rennen meldete 37°C und so sollte es letztlich auch kommen. Tropische Temperaturen in der Nacht zum Samstag und die Aufregung sorgten für ganz schlechten Schlaf und trübten die Stimmung zum Start ein wenig. Auf den ersten 20 km hatte ich zu tun, richtig munter zu werden. Doch so zügig wie einige Teilnehmer die ersten steilen Streckenabschnitte wegdrückten, so schnell verflog auch die Müdigkeit.

Kein Drogenkurier, nur die vorbereiteten Portionsbeutel für die „Plempe“.
Ich probierte mal wieder eine etwas neue Ernährungsstrategie aus. Stündlich knapp 60 g Maltodextrin, 30 g Fructose und ein wenig Salz. Das alles in Wasser gelöst. Geschmacklich keine Offenbarung, aber zweckmäßig und ohne Fruchtsaft hoffentlich nicht ganz so aggressiv zum Zahnschmelz. In Naklerov waren die ersten zwei Flaschen fast vollständig geleert und dank Björn, der in Begleitung von „The Animal Junior“ dreimal auf dem Erzgebirgskamm Hilde, Sirko und mir neue Flaschen reichte, konnte ich mich mal wieder ein ganzes Rennen lang von delikater Kohlenhydratplempe der Version 2.0 ernähren. DANKE! Für den Notfall hatte ich zwei Gels mit Koffein in der Trikottasche, die ich letztlich nicht benötigte.
Die ersten 80 km war „Einrollen“ angesagt. Nicht überziehen, aber an den Anstiegen das Tempo hochhalten, sodass die Gruppe dezimiert wird und das Rennen vorne keine Kaffeefahrt wird. Möglichst lang und schwer sollte es werden, dazu die Hitze. Das ich damit noch am besten klarkommen würde, soviel Selbstvertrauen hatte ich nach dem RATA auf jeden Fall.

Die obligatorischen Führungsmeter. Fotomaterial: www.krusnoton.cz bzw. www.roadcycling.cz
Erfahrungsgemäß ist Krupka bei km 83 der erste Scharfrichter des Rennens. 5 km mit etwa 470 Hm. Mit gut 320 Watt hielt ich das Tempo konstant hoch und nach knapp 19 min waren wir dann nur noch zu zweit oben. Startnummer 1 und ich. Da war ich schon beeindruckt und dachte es wäre der Vorjahressieger, dem war aber nicht so. Mit Team-Begleitauto wurden hier aber auch große Geschütze aufgefahren. Leider arbeiteten wir beide nicht so gut zusammen. Zähe Geschichte, immer wieder kam nach kurzer Führung seinerseits der Wink mit dem Ellenbogen, dass ich doch wieder die Führung übernehmen sollte. Ich war damit nicht ganz einverstanden, weil ich doch schon 90% vorn gefahren bin. Mikulov rollten wir zusammen hoch. Das Führungsfahrzeug vom Krusnoton stets bei uns und 0,5l Wasserflaschen verteilend. Perfekter Service. Halbe Flasche trinken, die andere Hälfte bei nun schon 30°C über den Körper schütten und für Kühlung sorgend. In Nove Mesto, nach knapp 4 Stunden Fahrzeit, stand wieder Björn mit zwei Flaschen neuer Plempe und auch Peter aus Freiberg lies sich als „Fan“ an der Strecke blicken und „durfte“ mir eine Flasche reichen.

Flaschenwechsel mit Björn und Peter in Mikulov.
Das ist mittlerweile schon sehr edel. Ob Sirkos Eltern, Björn und Peter oder die zahlreichen Personen, die von zu Hause aus die Daumen drücken. Ihr seid alle der Wahnsinn! Das sorgt für gute Stimmung und ist eminent wichtig, um mental die Leistung abrufen zu können.

Hier noch in Begleitung unterwegs.
Das die Stimmung bei meinem Begleiter zunehmend schlechter wurde, merkte ich natürlich. Ich verkürzte nun selber die Führungsintervalle, schwenkte öfters den Ellenbogen und pokerte etwas. Ich glaube das gefiel ihm nicht. Als er in Lom einen Zwist mit dem Fahrer vom seinem Begleitauto hatte, nutzte ich die Gunst der Stunde und verschärfte das Tempo gleich zu Beginn des Anstiegs nach Dlouha Louka und setzte mich schnell ab. 5,5 W/kg konnte ich nach über 150 Kilometern noch erbringen und es fühlte sich auch noch gut an. Verrückt bei der Hitze! Nun also noch ein 100 km Solo bis ins Ziel. Das ganze bei Temperaturen, die im böhmischen Kessel auf 40°C zu gingen. Schon ein wenig verwegen. Doch ich konnte nun mein Tempo fahren, versuchte aerodynamisch effizient vorwärts zu kommen und es lief einfach unfassbar gut. Der Schnitt näherte sich den 33 km/h und ich knallte durch die tschechische Prärie und dachte dabei ab und zu an Tony Martin, haha.

Im böhmischen Glutofen etwa 40 km vor dem Ziel. Fotomaterial: www.krusnoton.cz bzw. www.roadcycling.cz

Fotomaterial: www.krusnoton.cz bzw. www.roadcycling.cz
Ein paar Fans und Streckenhelfer schafften Abwechslung und dann waren da ja noch Sirkos Eltern mit der Sachsenfahne, die bis zum Schluss das Rennen mehr oder weniger spontan verfolgten und mich anfeurten, Flaschen reichten, leere Flaschen entgegen nahmen und mich über Abstände informierten. 20 Minuten sollten ich auf 60 km schon rausgefahren haben. Ein paar Bedenken hatte ich wegen der Hitze und der Gefahr eines unberechenbaren Defektes. Richtung Milesov wurde es langsam schwerer. 300 Watt berghoch waren nicht mehr leicht zu halten und ich merkte wie die aufgenommene Flüssigkeit, etwa ein guter Liter pro Stunde, sich im Körper verteilt. Arme, Beine, Kopf schwollen leicht an. Das waren letztlich aber die einzigen Probleme im ganzen Rennen. Dank der Vorbereitungsrunde mit Sirko vor einer Woche, wusste ich genau über den Schlussteil der Strecke Bescheid. 20 km von der letzten Bergwertung zum Ziel, dafür benötigt man etwa 30 min Fahrzeit. Nach 7:01h Fahrzeit war ich oben. Unter 7:30h wäre ein geiles Ziel. Dafür müsste ich mich noch ein bisschen strecken. Mit zunehmend schweren Beinen raste ich Richtung Teplice. Nun auch in Begleitung vom Motorrad. Nach 7:29h konnte ich überglücklich die Ziellinie überqueren. Immerhin 33,4 km/h im Schnitt. Als die Nächstplatzierten fast eine halbe Stunde später ins Ziel kamen, realisierte ich meinen Ritt so langsam und konnte mir ein schelmisches Lächeln ob der verrückten Aktion nicht verkneifen.

Etwas überhitzt, aber glücklich im Ziel. Fotomaterial: www.krusnoton.cz
Hilde, der Mann der Schweinekarre, kam dann sogar etwas überraschen auf Platz 4 ins Ziel. Platz 2 in seiner AK. Ganz starke Vorstellung! Sirko mit Hitzeproblemen noch Top 10 und völlig erschöpft und krampfend auf der Wiese liegend. Der große Meister eben.
Es dauerte nun einige Stunden bis zur Siegerehrung, aber die Sache war so gut organisiert und es herrschte seitens der Organisation und der vielen Helfer eine unglaubliche Freundlichkeit. Kostenlos Nudeln, Getränke, kaltes Wasser direkt aus dem Schlauch. Das ganze für einen Startpreis, der nicht der Rede wert ist. Die Siegerehung war dann ebenso herzlich wie der ganze Tag schon. Dreimal durfte ich das höchste Podest besteigen und allerhand Preise mit nehmen. Gesamt, AK und Giro Lanutti, wo ich erst gar nicht wusste, um was es sich hierbei handelt. Es war die schnellste Zeit auf der Flaje-Runde.
Doch nach der Ehrung war der Tag noch nicht vorbei. Da war ja noch Jessi! Während Sirko ihr etwa 20% Finisherchance einräumte, machte ich mich kurz vor 18 Uhr per Rennrad auf den Weg, um ihr die letzten Kilometer entgegen zu fahren. Allerhand fertige Gestalten von der 250er und 180er Runde kamen mir entgegen. Sogar ein Krankenwagen. Hier merkt man erst was das bei dem Wetter für eine Anstrengung und Belastung für den Körper bedeuten kann und ich machte mir so meine Gedanken und musste an Sirkos Prognose denken. Doch nichtmal 10 km vor dem Ziel radelte da Jessica. Locker wie eh und je. Gut gelaunt und von Anstrengung wenig zu sehen. 18:29 Uhr im Ziel. Absoluter Ausdauerwahnsinn! Kommt mir bekannt vor. Erste Frau auf der langen Strecke und auch Siegerin vom Giro Lanutti! Damit haben wir an jenem Tag alles gewonnen, was es zu gewinnen gab. Krasse Show! Im nun gut gefüllten Colt ging es zurück nach Dresden. Abgefahren!

Belustigt über die neongrünen Kompressiosnsocken.
Da der Krusnoton außerhalb Tschechiens noch eine recht geringe Bekanntheit genießt, möchte ich eine ausdrückliche Empfehlung ausgeben. Mehr Infos zum Rennen gibt es auf der Homepage.