Nein, Sonthofen ist nicht Teplice und Sulden kein Sölden.
Eine kleine Anspielung auf den Krusnoton und den Ötzi, wo der Endura einfach (noch) nicht ganz mithalten kann.
Aber einmal über die Alpen ist doch auch was! 252 km und 6050 Hm müssen beim Endura Alpentraum überwunden werden. Der richtige Marathon zum Saisonausklang. Der Start erfolgt im Allgäu, das Ziel liegt unterhalb vom Ortler in Italien.

Sulden am Ortler. Fotomaterial: Arno Burgi
Thomas, der Chef höchstpersönlich, fragte im August wer noch mitfahren möchte. Warum eigentlich nicht, dachte ich mir und schnell war zugesagt. Jessi auf der 140er Runde und die Elbspitzultras als Serviceteam ebenfalls mit von der Partie. Alles gute Omen für ein schönes und lustiges Wochenende in den Alpen, was noch lange in Erinnerung bleiben wird.
Die Form hielt erstaunlich gut in den letzten Wochen. Nur das Wetter spielte nicht mehr ganz so mit und der finale 200er am Wochenende vor dem Start wurde gestrichen. Die Beine präsentierten sich in Sonthofen dennoch von ihren guten Seite, obwohl für die Rasur am Freitag einfach keine Zeit mehr war. Nebensächlich. „Geile Rampen statt geiler Waden“. Da waren die Warm Up Runde zur Grüntenhütte und das Zusammenmixen der 9 Flaschen Plempe am Abend dann doch wichtiger als noch den Rasierer anzusetzen. Unsere ES-Ultras Holger, Romy und Pauline mussten schließlich auch noch genauestens über die Plaunng am Renntag informiert werden. So ein Rennen mit unterschiedlichem Start und Zielpunkt ist nicht so einfach zu organisieren. Fahrt nach Landeck, Sulden, Rückfahrt nach Sonthofen. Holger „durfte“ Thomas und mir viermal entlang der Strecke das übliche hochkalorisches Zuckerwasser überreichen. Ehrlich gesagt hatte ich nicht mit viel mehr als 8:30 h Fahrzeit und 8 h Energieaufnahme gerechnet und entsprechend der stündlichen Kohlenhydrataufnahme die Flaschen rationiert. Nur vermasselte der heftige Südwind und die Kälte zu Beginn ein bisschen die Planung und am Ende war ich doch etwas leer und die Blase voll. Doch der Reihe nach…
Der Start erfolgte planmäßig 6:30 Uhr in der Dämmerung. Das Oberjoch hatten wir schon am Vortag inspiziert. Ein Rollerberg zum warm werden. Überhaupt war es erstaunlich warm in Sonthofen. Erst im Tannheimer Tal wurde es recht frisch und ich war dankbar für Beinlinge und lange Handschuhe. Wie man da wie manch anderer in Kurz-kurz fahren kann, erschließt sich mir nicht wirklich. Mit Pierre Bischoff und Roman Hermann traf ich bekannte Gesichter vom RATA wieder und wir konnten kurz schwatzen. Am Hahntennjoch wurde das Tempo verschärft, eine erste Selektion der großen Gruppe kam zustande. Die mir unbekannte Abfahrt nach Telfs fand ich ziemlich gefährlich und ich hielt mich hinter Patrik Hagenaars auf, der eine gefühlt sichere Linie fuhr. Dank der schottischen Hochlandrinder auf der Straße kurz vor Telfs lief die Gruppe wieder zusammen und etwa 20 Mann fuhren im Tal Richtung Landeck. Durch die Kälte in der Früh schwitzte ich sehr wenig bzw. 1,5 Liter Flüssigkeitszufuhr pro 2 h waren etwas viel. Die Blase drückte und ich wartete auf eine passende Gelegenheit mal kurz anzuhalten. Im Flachen war mir das Risiko aber zu hoch, die Gruppe nicht wieder einholen zu können und ich wartete bis zum Anstieg zur Pillerhöhe, wo ich mich endlich erleichtern konnte. 1 Minute Standzeit und 1 kg leichter. Zum Glück machte die Spitze nicht ernst und ich konnte nach 5 Minuten Aufholjagd mit 180er Puls die Gruppe wieder erreichen. Kurz vor der Passhöhe überreichte mir Holger Flasche 5 und 6. Läuft! Die Abfahrt von der Pillerhöhe war rasant. Roman zeigte vorne wieder seine Abfahrtskünste und ein Teilnehmer warum es besser ist, dem nicht unbedingt zu folgen. Er lag in einer Serpentine auf dem Asphalt, aber außer Schürfwunden war alles in Ordnung.Nun stand ein langes Flachstück bis ins schweizerische Martina bevor. Dort wartete die Norbertshöhe. Die Gruppe kreiselte gut, aber der Gegenwind drosselte die Geschwindigkeit etwas und verlängerte die Fahrzeit bis zum nächsten Verpflegungspunkt in Nauders. Ich hätte auf dem Abschnitt durchaus etwas mehr Plempe vertragen können und hatte etwas Hunger. Im Prinzip wusste ich schon, dass heute kein perfektes Rennen abgeliefert werden könne. Die Konkurrenz war stark. Allein wie effizient sich Enrico Zen im Feld bewegt, obwohl auch er sich gleichermaßen an der Führungsarbeit beteiligte, zeigt schon, wer hier wie sparsam mit seinen Körnern umgeht. Da gibt es für die Zukunft noch einiges an Optimierungspotential. Über den Reschenpass fegte der Wind unerbittlich. Das Kreiseln ödete mich immer mehr an und ich sehnte den harten Schlussteil mit 2500 Hm auf 55 km herbei. In Laatsch war es endlich soweit. Endlich mal Rückenwind und ich knallte den ersten kurzen Berg ins Val Mustair hoch. 350 Watt reichten um die Gruppe auf 5 Fahrer zu dezimieren. Gerne hätte es noch mehr Hackfleisch geben können, aber weder der starke Roman noch Enrico hatten Lust auf bissl spaßiges Radfahren und so hingen alle nur am Hinterrad, sobald mal über 300 Watt auf der Uhr standen. Naja, das nennt sich wohl taktisch, diszipliniertes Marathonfahren. Wieder habe ich sinnlos Körner verbraten, aber das Körpergefühl war dennoch sehr gut und ich freute mich auf den Umbrailpass. Auf der ersten 20% Rampe in Santa Maria verabschiedete sich Enrico leichtfüßig von der Gruppe. 6 W/kg, schon weit oberhalb jeglicher Vernunft und es sieht aus als würde man im Vergleich zu dem leichten Italiener stehen. Ich drückte dennoch weiter auf das Tempo und wollte mich nicht geschlagen geben. Immerhin kamen noch 5W/kg auf dem Pedal an und Roman musste reißen lassen. Als ich dann aber hörte, dass Enrico schon 3 Minuten auf etwa 15 bis 20 min im Umbrail herausgefahren hatte, war mir dann auch klar, dass hier zwei Rennen stattfinden. Vorn Enrico Zens Solo und dahinter Roman und ich mit dem Fight um Platz 2. Bis zur Hälfte des Anstieges konnte ich meinen Vorsprung auf Roman ausbauen. Ich schätze etwa 50 Hm hatte ich schon an Vorsprung auf ihn, aber meine Beine wurden schwerer und schwerer und mein anfängliches „in den Berg knallen“ wurde mir nun zum Verhängnis. Da halfen auch die Anfeuerungsrufe von Romans Betreuer nichts, die mir sogar Gel und Getränke anboten. Absolute Fair Player! Meine Leistung sank bis zum Umbrailpass auf 190 Watt. Der Puls blieb bei 160 Schlägen. Ohje. Voll geplatzt! Die Birne drehte und es fiel mir schwer die Schalthebel noch ordentlich zu bedienen. Die 3 km zum Stelvio zogen sich unendlich und ich sehnte meine letzte Flasche Plempe herbei, die mir Holger wie geplant auf dem leicht verschneiten Stilfser Joch überreichte. Nun hatte ich noch 20 Sekunden Vorsprung, war mir aber bewusst gegen Roman keine Chance mehr zu haben.

Qualvolle letzte Meter zum Stilfser Joch.
Platz drei ist auch gut und so hatte ich in der Abfahrt mit dem Rennen quasi schon abgeschlossen. Roman überholte mich schnell und fuhr bergab nach Gomagoi noch 2 Minuten heraus. Ich war derweil froh nach den 48 Kehren trotz leichter Übelkeit nicht wieder brechen zu müssen und fuhr nach Sulden hoch. Kurz erblickte ich nochmal Roman vor mir, aber ich war definitiv nicht mehr in der Lage ihn nochmal einzuholen. Nach gut 9 Stunden überquerte ich zufrieden die Ziellinie.

Auf der Zielgeraden in Sulden.
Sicher nicht endlos zufrieden mit der Leistung und Zeit, aber doch glücklich und um einige Erfahrungen reicher. Vorallem der Vergleich mit Enrico interessierte mich. Ich fuhr von Santa Maria zum Stelvio mit gut 240 Watt in 72 Minuten. Enrico war 10 Minuten schneller und benötigte demnach 62 Minuten. Eine VAM von 1300 Hm/h trotz Gegenwind. Mit bissl rechnen kommt man da auf 4,8-5 W/kg. Schon ein krasses Niveau. Die extreme Höhe und Vorbelastung darf man ja nicht unterschätzen, aber ich denke, dass man allein aufgrund der Leistung keine Dopingverdächtigungen aussprechen darf. Wer das macht, hat einfach keine Ahnung von Radsport und was da leistungsmäßig auch sauber möglich ist. Ob das dann wirklich sauber geschieht, ist eine andere Frage und die kann wohl nur jeder Athlet für sich beantworten.
Aber das soll die Veranstaltung nicht trüben. Ich bin dankbar, dass es solche schönen Bergmarathons überhaupt gibt und hoffe, dass ich nächstes Jahr bei der ein oder anderen Marathonveranstaltung wieder dabei sein kann.
Nachtrag: Ich habe mir die Durchgangszeiten nochmal hgenauer angeschaut. Zen hatte allein am Umbrail schon fast 10 min herausgefahren. (5,5 W/kg auf 45 min) Am Stelvio weitere 4-5 Minuten. Ob er dabei überhaupt an seiner körperlichen Grenze war, darf man auch bezweifeln. Das rückt die Leistung von Enrico Zen in ein noch helleres Licht. Ob das gut oder schlecht sein mag, da soll sich jeder selber seine Meinung bilden.

Siegerehrung. Fotomaterial: Arno Burgi