Skiausflug ins Riesengebirge
Es war Mitte Januar. Das Wintertraining lief ganz gut und abwechslungsreich. Einheiten im digitalen Watopia auf Zwift wechselten sich mit Radfahrten in grauer Winterlandschaft und mit Läufen in Großstadtumgebung ab. Dazu ein paar Stunden in der Schwimm- oder Turnhalle und wenig Skilanglauf im Erzgebirge. Letzteres meist bei Nebel. Ein ziemlicher Trott. Immer öfter schaute ich mit Fernweh Webcambilder aus dem verschneiten Riesengebirge an und studierte die Loipenkarte auf mapy.cz. Die Idee, das Riesengebirge von West nach Ost zu überqueren und am nächsten Tag nochmal von Ost nach West, spukte schon seit Jahren mehr oder weniger stark durch mein Kopf. Wieso eigentlich nicht jetzt? Aus dem Fernweh wurde schnell eine Idee und aus der Idee ein konkreter Plan: Bei der nächsten sonnigen Wetterlage geht‘s ganz einfach für zwei Tage ins Riesengebirge! Es dauerte keine zwei Wochen und der Wetterbericht stimmte sehr zuversichtlich. Nebenbei erzählte ich Vincenz und Alex von meinem Unterfangen. Gar nicht mal in der Absicht, sie zu einem Mitkommen zu überreden, rief mich Alex am nächsten Tag, zwei Tage vor Abreise an und fragte mich, ob er mitkommen „dürfe“. Na klar! Mittwoch, Donnerstag waren bald fix vereinbart. Vincenz hatte auch Zeit und war mit von der Partie. Dank Hochsaison war die kurzfristige Unterkunftssuche für eine Nacht und drei Personen gar nicht mal so einfach. Aber wir fanden dennoch eine einfache Unterkunft in Pec pod Snezkou.
Die Rahmenbedingungen
Mittwoch Start in Harrachov, über den Gebirgskamm, die Schneekoppe bis in den Osten nach Mala Upa und bereits wieder ein Stück in den Westen zurück. Übernachten in Pec. Donnerstag von Pec wieder über den Kamm nach Harrachov zum Ausgangspunkt. Einmal knapp 50 und am zweiten Tag, wo eh schon reichlich Erschöpfung vorhanden sein sollte, „nur“ noch reichlich 30 km. Doch was sind schon Kilometerangaben im Riesengebirge, das schon im Sommer mit dem Rennrad herrlich wenig mit einem Mittelgebirge gemein hat. Die Durchschnittsgeschwindigkeit sinkt selbst bei sportlicher Fahrweise schnell auf unter 25 km/h. Steil sind die Anstiege und Abfahrten. Im Winter verwandelt sich das Riesengebirge in ein klimatisch raues Hochgebirge, das man nicht unterschätzen darf. In bestimmten Tälern dürfen Wege aufgrund von Lawinengefahr nicht begangen werden. Meterhoch liegt der Schnee auch auf dem kahlen Gebirgskamm. Mal eisig, mal pulvrig. Bei Nordostwind kondensiert die feuchtkalte Luft von Polen am Kamm und hinterlässt dicke Reifschichten an den den Bäumen.
Mittwoch, 6. Februar 2019.
5 Uhr klingelte der Wecker. 5:30 Uhr betrat ich die Straßenbahn der Linie 10 zum Hauptbahnhof und begrüßte etwas müde Vincenz. 6 Uhr im Zug Richtung Decin frühstückten wir. 7:15 Uhr Kurzstopp im Lidl in Decin. Nur um ein paar Kronen zu tauschen. Aus dem Supermarkt heraus getreten, begrüßte uns schon Alex, der mit dem Auto von Olbernhau kam und uns nun mitnahm. 9:30 Uhr erreichten wir die Skiflugschanzen von Harrachov. 9:45 Uhr schoben sich unsere Ski durch die Loipe im Mumlava-Tal Richtung Vossecka Bouda nach oben. Vincenz mit Skater, Alex mit einem Klassik-Schuppenski für den er mittlerweile zu leicht geworden ist. Ich mit Klassik-Wachsski und ohne Ahnung von Wachs, deswegen meist mit schlechter Skatingtechnik dem Vincenz hinterher. Die ersten 500 Höhenmeter gleich zu Beginn. Noch war es etwas bewölkt, aber nach wenigen Kilometern überwog das Blau am Himmel und uns öffnete sich ein verschneites Winterparadies, das mit jedem Höhenmeter bizarrer wurde. Nadelbäume kiloweise mit Schnee und Reif bedeckt. An den Gebirgsbauden meterhohe Schneewehen.
Windstille, Sonne. Eine Inversionswetterlage im Süden über den böhmischen Kessel, freie Sicht Richtung Norden ins schlesische Becken um Jelenia Gora. Wir erwischten einen Traumtag, den es im Winter im Riesengebirge gar nicht so oft gibt. Das ist mindestens ein Vierer im Lotto. Ich bekam Alex sündhaft teure Spiegelreflexkamera und kein Kilometer verging nun ohne Fotostop. Reifträger, Blick zur Elbfallbaude, vorbei an der Schneegrubenbaude und dem steilen Riesengebirgsnordababfall. Das Stop-Schild warnt.
Am Hohen Rad waren wir schon fast auf 1500 m Höhe, oberhalb der Baumgrenze. Die erste technisch anspruchsvolle Abfahrt stand bevor. Steil im seitlich abfallenden leicht verharschten Gelände an der Südflanke des Hohen Rades konnten wir es keinesfalls laufen lassen. Langsam und vorsichtig im Schneepflug bergab, galt es darauf zu achten, das es die schmalen Ski nicht verschlägt und in den teils überraschenden Schneewehen der Körper das Gleichgewicht hält. Vor uns zeigte sich der Spindlerpass und in der Ferne bereits die 1602 m hohe Schneekoppe. Ein Panorama wie aus dem Reisekatalog. Am Spindlerpass machten wir kurz nach 13 Uhr einen kurzen Mittagsstop in der Spindlerova Bouda. Ich drängte auf zügige Weiterfahrt und wollte noch möglichst viel Sonnenschein mitnehmen. Am Spinderpass türmte sich der Schnee fast zwei Meter hoch. Das wir die Etappe komplett im Hellen schaffen würden, war ohnehin nicht mehr möglich. Dafür hatten wir aber vorgesorgt und Stirnlampen dabei. Etwa 10 km waren es noch bis zur Schneekoppe. 2 Stunden rechnete ich etwa. Entlang der polnisch-tschechischen Grenze näherten wir uns dem höchsten Berg des Riesengebirges, in dessen Umgebung bei dem Prachtwetter allerhand Trubel war. An der Schlesischen Baude am Fuße der Schneekoppe machten wir die Ski ab und liefen die letzten Höhenmeter nach oben. Das Gelände ist hier einfach viel zu steil für Langlaufski. Am Kettenweg guckte von den Sicherheit und Halt gebenden Ketten gar nicht mehr soviel heraus. So viel Schnee hatte ich hier persönlich noch nicht erlebt. Ein wenig rutschig war es mit den Langlaufschuhen schon. Kurz nach 16 Uhr erreichten wir den Gipfel. Die langsam untergehende Sonne färbte die Schneefelder in einen warmen Weißton. Die Gebäude auf der Schneekoppe waren mit Reif bedeckt, wie wenn jemand fünf Schichten Spritzbeton an die Fassaden gesprüht hätte.
30 km hatten wir geschafft, 18 km verblieben uns noch am heutigen Tag und auch etwas Zeit bis zum Sonnenuntergang. Zu Fuß stiegen wir den ersten Kilometer von der Schneekoppe hinab Richtung Jelenka Bouda. Dabei bewegten wir uns im Schatten der Schneekoppe Richtung Osten. Am Svarova Hora gab es ein letztes mal Sonnenstrahlen für heute. Kurzes Innehalten und erneut zu Fuß hinab zur Jelenka Bouda. Hier dämmerte es nun. In der Ferne waren die Bauden von Mala Upa zu erkennen. Um Mala Upa zu erreichen, blieb uns die Wahl zwischen dem schnellen gelben Weg und dem roten Weg, der die schönere Variante ist, aber auch etwas mühsamer ist. Wir nahmen natürlich den roten Weg, der nicht ein wenig mühsamer war, sondern deutlich. Es ging so steil hinab und noch dazu durch verwehtes Gelände, das es nicht mehr viel mit Langlauf zu tun hatte. Mehrmals stürzten wir in den Schnee. Aber alles eher ungefährlich. Als wir Mala Upa erreichten, war es fast dunkel. Aber wir hatten nun das erste Mal seit dem Mumlava Tal wieder eine maschinelle Spur unter den Latten und kamen wieder zügiger voran. Ohne Stirnlampe gleitete es gut bis zur Kirche von Dolni Mala Upa. In den Bauden brannte Licht, am Himmel funkelten die Sterne. Im Tal breitete sich Nebel aus. Ein romantisches Abenteuergefühl. Ohne Risiko fuhren wir langsam im Schneepflug bis zur Straße ins Upa Tal hinab. Die Oberschenkel brannten mittlerweile ganz schön durch die ungewohnt lange Belastung. Auch wenn die Enerigespeicher schon ziemlich leer waren, der letzte Tropfen Wasser die eh schon nicht große Trinkflasche verlassen hat, waren wir noch nicht ganz am Tagesziel. Nocheinmal 150 Höhenmeter hinauf – das dachte ich. Letztlich waren es fast 200 und eine halbe Ewigkeit. Oberhalb von Velka Upa nahmen wir Kurs auf Pec. Stockdunkel war‘s durch den Wald und gar nicht so einfach die richtigen Abzweige zu finden. Die Stirnlampen und der Garmin verrichteten gute Dienste.Nur noch zwei Rampen hinab. Steil, sehr steil. Ich kannte sie bereits vom Rennradfahren. Vincenz und Alex waren ein wenig überrascht. Gar kein Risiko mehr – sehr, sehr langsam rutschten wir ins Tal. Glücklich klatschten wir in Pec in die Hände. Wir hatten 1900 Hm in den Beinen und Armen. Ein Tag, wie er nicht hätte schöner sein können. Zur Pension durften wir nochmal fast 100 Höhenmeter hinauf. Spiegelglatt die Straße durch Pec. Aber nach so einem Tag, nimmt man auch das noch mit. Zwischen 18 und 19 Uhr hatte ich bei der Buchung als Check-In Zeit angegeben. 19:05 Uhr klopften wir an die Tür des Eingangs, der durch die Schneemassen kaum noch betretbar war.Müde und euphorisiert zu gleich betraten wir die Pension. Keine zehn Minuten später fielen wir durchschwitzt über das Büffet her.
Donnerstag, 7. Februar 2019.
Der Wecker klingelte 4:30 Uhr. Vincenz! Sein Wecker war noch vom gestrigen Tag gestellt. Also wieder ins Bett gegangen und bis kurz nach 7 Uhr weitergeschlafen. Als erste Gäste plünderten wir gleich 7:30 Uhr das Frühstücksbüffet. Die Anstrengungen des Vortages waren doch deutlich in Beinen, Rücken und vorallem in den Armen zu spüren. Eine Stunde später befanden wir uns im legendären Anstieg zum Modre Sedlo. Dem schwersten Rennradberg Tschechiens, der höchsten asphaltierten Straße des Landes. Bis auf 1500 m Höhe geht es hinauf. Mein Strava-KOM steht bei 30 min. Deutlich länger, aber auch deutlich weniger schmerzhaft benötigten wir mit Ski fast zwei Stunden. Von der asphaltierten Straße ist im Winter natürlich nichts zu erkennen. Ausblicke auf den Cerna Hora und sogar bis zum Jested ließen den Aufstieg zu einer kurzweiligen Angelegenheit werden. Stundenlang hätte ich bei dem Panorama noch weiter hinauf laufen können. Obenraus fanden wir sogar eine nagelneue Skatingloipe vor. Oberhalb von 1400 m Höhe frischte es nun auf. Sichtbar wehte der Schnee über die Bergflanke. Innerhalb von Minuten bildeteten sich auf der feingeriffelten Skatingtrasse kleine Schneewehen. Zwar faszinierend, aber nicht zu einer längeren Pause am Modre Sedlo und der total eingeschneiten Kapelle einladend, steuerten wir die Wiesenbaude an. Unübersehbar liegt sie da klotzig inmitten der kargen Schneefelder. Von der Wiesenbaude nahmen wir den Stangenweg, der etwas nach links abknickt und geradeaus Richtung Sturmhaube führt. Der Name des Berges war heute Programm. Heftig wehte der Wind von Süden Richtung Norden über den Kamm, sodass man an der steilsten Stelle aufpassen müsste, das Gleichgewicht zu halten und nicht rechts den Abhang runter zu rutschen. Sicherheitshalber schnallten wir für gut 100 m die Ski ab, achteten darauf, die Bretter auch immer gut festzuhalten, damit es sie imn Sturm nicht wegweht. Hinter der Spindlerbaude ließ der Sturm deutlich nach und schönste Winteridylle kehrte wieder ein. Unsere Route führte uns durch welliges Gelände über die neu aufgebaute Petrova-Bouda und Martinova Bouda etwas unterhalb des Riesengebirgskamm Richtung Elbquelle. Die Elbquelle ließen wir rechts liegen und bogen auf den Weg zur Vossecka Bouda ab. Der letzte abenteuerliche Abschnitt für heute. Von der Vossecka Bouda waren die letzten Kilometer nach Harrachov reiner Genuss. 500 Höhenmeter bergab. 8 km ohne Schieben zu müssen. 14 Uhr erreichten wir den Parkplatz und beendeten unseren zweitägigen Riesengebirgsausflug. Ganze 80 km und 3200 Hm lagen hinter uns. Eine Skitour, die in der kommenden Wintersaison in ähnlicher Variante bereits jetzt ganz laut nach einer Wiederholung ruft.
Das ist echt krass viel Schnee, ein 4er im Lotto, das glaube ich euch!
Hallo Robert,
ich habe gerade deinen Bericht über eure Skitour gelesen. Perfekte Route aber mit dem falschen Ski.
Laßt die Skating Ski zuhause und probiert es damit
https://nordicx.com/Langlaufski/Klassikski/NORDICX-Aschberg-Classic-Waxfree.html.
Sport frei
Wenn ich mich richtig entsinne, waren wir mit drei verschiedenen Ski unterwegs. Alex klassisch mit Schuppe, ich auf klassisch mit Wachs und Vincenz mit Skating. Da es unerwartet ideale Bedingungen hatte, fester Pulverschnee zum Größtenteil, war der Skating Ski von Vincenz die beste Wahl. Er konnte über den Kamm im ungespurten Gelände einfach skaten. Die Tage an denen ein Skating Ski für so eine Tour ideal ist, dürften freilich selten sein. Sobald wir dürfen, werden wir so eine Tour nochmal wiederholen. Vermutlich erst im Winter nächsten Jahres.