Stoneman Miriquidi Gold
Eine Hauruck-Aktion im Oktober – Finished!
Mit überschaubarer Form, begrenzter Nahrungsaufnahme, Bauchkrämpfen und Durchfall durch den Miriquidi. Finster war‘s tatsächlich die letzten zwei Stunden im Erzgebirgswald. Im Mondlicht durch das mittlere Erzgebirge. Weihnachtsstimmung in Seiffen. Der große Wagen am Himmel. Bei mittlerweile nur noch zwei Grad waren wir nach gut 13 Stunden wieder in Holzhau im warmen Berghotel Talblick angekommen.
Die Idee
Gemeinsam mit Hendrik und Mario wollten wir nun Ende Oktober die 290 km lange Strecke mit 5000 Höhenmetern absolvieren. An einem Tag als Stoneman Gold Variante die letzten schönen Tage des Jahres nutzen. Bei noch möglichst viel Tageslicht. Wenn nicht jetzt, wann dann! Die Tage werden dieses Jahr nicht mehr länger. Hendrik und Mario schickten ihre Anmeldung auch schon zwei Tage vor Start heraus, so dass ich dann trotz Magen-Darm-Problemen am Tag vorher nicht schon wieder passen wollte und mich dem Stoneman Miriquidi stellte. Ohne Vernunft mehr Leidenschaft, oder so ähnlich…
Stoneman Miriquidi
Bereits seit einigen Jahren gibt es im Erzgebirge den Stoneman Miriquidi als MTB-Version. Unter den Radsportlern findet diese beliebte Offroad-Strecke großen Anklang. Folgerichtig wurde im Sommer diesen Jahres der Stoneman als Rennradstrecke ins Leben gerufen. Eine fast 300 km lange permanente Rundstrecke durch das Erzgebirge.
Starten kann man an einem der vielen Logis-Partnern entlang der Strecke. Hier kann man auch seine Startunterlagen abholen. Das wichtigste Utensil darin: die Stempelkarte. 13 Checkpoints müssen angesteuert werden. An jedem Kontrollpunkt gibt es eine Infotafel und ein Stempelautomat, wo die Karte gelocht wird. Am Ende dient eine an allen Punkten abgestempelte Karte als Beweis, die Strecke bewältigt zu haben. Bei dem Logispartner, wo man gestartet ist, erhält man am Ende seine Finishertrophäe und kann sich Stoneman nennen!
offizielle Infos: https://road.stoneman-miriquidi.com/
Der Bericht
Kurz nach 7 Uhr starteten Hendrik, Mario und ich auf Mission Stoneman. Das wir alle drei nicht ganz glatt sind, sollte klar sein. Hendrik kam aus Olbernhau angeradelt und hatte die ersten 20 km mit dem Rennrad um 7 Uhr in Holzhau bereits im Sack. Bei 2 Grad Außentemperatur und etwas Nebel begann unser Stoneman am Berghotel Talblick in Holzhau. Ein verschlafener Sonntagmorgen. Ruhig war es auf den Straßen und wir radelten zu dritt nebeneinander das Muldental hinauf. Die Laubfärbung wirkte im grauen Nebel besonders interessant. Nach 1,5 Stunden hatten wir in Zinnwald jeweils bereits drei Löcher in der Stempelkarte. „Es läuft!“ Von der äußerlichen Kälte war innerlich noch nichts zu spüren. Imposant der Anblick der kahlen Kammflächen, wo vereinzelte schief wachsende Bäume dem rauen Gebirgsklima trotzen und für gespenstige Stimmung sorgen.
Richtung Dlouha Louka riss die Nebeldecke auf und blauer Himmel kam hervor. Die rasante Südhangabfahrt Richtung Litvinov war schnell passiert. Vorsicht nur in den Serpentinen, wo Laub in den Kurven liegt. Im Tal wärmten die Sonnenstrahlen schon ein wenig, aber vorallem nur kurz! Denn wir fuhren in Nova Ves wieder auf den Kamm hinauf. Richtung Süden strahlender Sonnenschein. Im Norden treiben dunkle Wolken, als würde der Tag gleich zu Ende gehen. Wir bewegten uns immer dem Kamm nach Westen folgend irgendwo dazwischen.
Einsame Gebirgslandschaft, Hochmoore, Bergseen. Hinter Kalek bogen wir dann links ab. Mittlerweile herrscht größtenteils Flüsterasphalt auf den Kammstraßen. Ein Genuss und Rennradfahrertraum. Das war vor wenigen Jahren noch ganz anders. Auf der Abfahrt nach Chomutov kam richtiger Flow auf. Über Wiesen und durch herbstlich gefärbte Laubwälder, deren Farbtöne in der Sonne richtig leuchten, stieg die Stimmung. Und die Körpertemperatur. In Chomutov war es bei über 10 Grad gut auszuhalten. Etwas verwinkelt die Fahrt durch die Stadt, aber dafür auf verkehrs- und fußgängerarmen Radwegen. So sind auch die folgenden 15 km zu beschreiben, die tatsächlich Neuland für mich darstellten. Beeindruckt vom riesigen Braunkohletagebau Gebiet im Egergraben. Ein wenig erinnert es an die Landschaft der kargen Alpujarras in der Sierra Nevada in Spanien.
Wo die Braunkohle gefördert wird, ist das Kraftwerk nicht weit weg. Direkt an den rauchenden Schornsteinen vorbei ging es in Kadan. Auch das gehört zum Erzgebirge und Böhmischen Becken und macht den speziellen Reiz aus. In Kadan wechselten wir die Seite der Eger. Wellig auf kleinen Straßen rollten wir noch immer Richtung Westen.
Rechts der bewaldete Erzgebirgskamm und der Keilberg. Selbst die Häuser von Horni Halze waren gut zu erkennen, wo wir eine Stunde später vorbei fahren sollten. Nach 150 km machten wir die erste Pause. Es lief recht flüssig bis dahin. Mehr als die Hälfte hatten wir schon geschafft. Unser Stoneman entwickelte sich zu einem schönen Ausflug in den Herbst. In Horni Halze mussten wir bei Hendrik den Reifen wechseln. Die Flanke vom Reifen war wegen dem etwas zu hoch montierten Bremsklotz kurz vorm aufreißen. Kurze Pause auf dem Kamm, es wurde wieder frisch und die eigenen Kräfte schwanden auch so langsam und im Bauch machten sich abermals Krämpfe bemerkbar.
Das Restaurant mit warmer Toilette und Klopapier kam auf dem Keilberg genau zu rechten Zeit, um eine größere Sauerei zu vermeiden. Der mit 1244 m höchste Punkt des Erzgebirges lag nun hinter uns. Der Fichtelberg, höchster Gipfel von Sachsen noch vor uns. Ein eiskalter Wind wehte in der Abfahrt Richtung Bozi Dar. Die schöne Aussicht über die Weiten des Westerzgebirges bis hinter den Auersberg hatte aus diesem Grund heute nicht die höchste Prioriät. Hatte die erste Hälfte des Tages durchaus noch etwas mit Genussradfahren und Spaß auf schmalen Reifen zu tun, wurde es nun einfach ziemlich hart und qualvoll. Das wir am Fichtelberg über 3500 Höhenmeter in den Beinen hatten und nur noch 1500 Höhenmeter bis zum Ziel nach Holzhau überwinden mussten, war eine gute Nachricht. Bei guter körperlicher Form genießt man den berüchtigten Flow, der während einer Langstrecke aufkommt. Wenn man auch über lange Zeiträume eine relativ hohe Leistung halten kann und mit begrenzter Anstrengung schier unfassbare Distanzen zügig zurück legt. Ein Traum von der Leichtigkeit des Rennradfahrens… Bei guter Form und warmen Bedingungen. Beide Voraussetzungen waren heute nicht erfüllt. Bei schlechter Verfassung und zunehmender Kälte wird man mit fortschreitender Distanz nur noch langsamer. Einzig auf den Bergab- und Talpassagen, wo man mit wenig Leistung und am besten im Windschatten rollt, kommt man recht gut vorwärts und sammelt für ein paar Minuten wieder etwas mehr Treibstoff in den Beinen an. Bergab ging es von Oberwiesenthal bis Königswalde. Mit einem kurzen Stich zum Bärenstein, der nicht hätte länger sein dürfen. Checkpoint, Stempeln und eine weitere Tube mit gezuckerter Milch in den Mund drücken. Die letzten 70 km standen nun bevor. Wellig beschreibt die Charakteristik des Stonemans auf deutscher Seite wohl am besten. Sind die Anstiege auf tschechischer Seite deutlich länger, fällt es nun schwieriger einen guten Rhythmus zu finden. So lange die Sonne noch schien, genossen wir jede Minute, die wir nicht im Schatten fuhren. In Marienberg mussten wir uns noch ein letztes mal notbetanken. Die Verkäuferin in der Tankstelle wünschte uns noch einen „schönen Abend“. Wenn die wüsste! Aufgrund der eher elenden Situation, in der wir uns befanden, musste ich etwas zynisch über uns selber lachen. Noch 60 km und nur noch 3 Grad. Noch 50 km, der Mond scheint. Noch 40 km, nur noch 2 Grad. Noch 30 km, es ist mittlerweile stockdunkel und die Sterne funkeln. Direkt über uns der große Wagen. Der Ort Seiffen, bekannt durch erzgebirgische Holzschnitzkunst begrüßt uns mit einem leuchtenden Schwibbogen.
Noch 25 km, der letzte Kontrollpunkt auf dem Schwartenberg. Für die Aussicht hatten wir nun wirklich keine Nerven mehr und fuhren sofort nach Neuhausen bergab. Noch 20 km, noch 15 km. Das Mondlicht reflektierte im Wasser der Talsperre Rauschenbach. Bei knapp über Nullgrad erreichten wir mit letzten Kräften Holzhau. Pünktlich am Ortseingang gibt auch mein Garminakku entkräftet auf und schaltet endgültig ab. Geschafft! Nach über 13 Stunden waren wir nach 20 Uhr wieder am Talblick in Holzhau.
Das Fazit
Viele kalte Stunden zehrten am Körper. Der Stoneman Gold im Oktober wurde zu einer sehr großen Herausforderung. Größer als gedacht! Als Goldvariante ist es sicher besser, man fährt den Stoneman bei Temperaturen von über 15 Grad irgendwann zwischen späten Frühling und zeitigem Herbst, wenn die Tage auch noch länger sind und man nur wenig oder gar nicht in die Dunkelheit gelangt. Zwar haben Nachtfahrten ihren Reiz, aber sieht man doch sehr viel weniger von der schönen Berglandschaft des Erzgebirges. Außerhalb des Sommers, wenn es in den Hochlagen im Erzgebirge vorallem nachts bereits sehr kalt werden kann, ist der Stoneman Silber an zwei Tagen oder Bronze an drei Tagen mit Übernachtung und kürzeren Tagesfahrzeiten sicher die passende Wahl!
Streckentechnisch beinhaltet der Stoneman alles, was das Erzgebirge ausmacht. Ob lange Anstiege am Südhang, die Auffahrt zum Keil- und Fichtelberg, die kleinen tschechischen Straßen auf dem einsamen Erzgebirgskamm, kurze und steile Anstiege auf sächsischer Seite. Gut rollende Passagen, wie im Natzschungtal. Für Kulturliebhaber auch Sehenswürdigkeiten entlang der Strecke. Zwar ertappe ich mich immer wieder in den Gedanken, was man noch für schöne Anstiege in die Strecke vom Stoneman hätte einbauen können, aber zeigt der aktuelle – eh schon anspruchsvolle Kurs – einen sehr vielfältigen Schnitt durch das Erzgebirge.