Fernfahrt Dresden – Krakau 2018
Aus Sicht eines Organisators und Guides
Das war sie. Unsere erste quäldich.de-Fernfahrt liegt hinter uns. Nach dem Alex und ich in Zusammenarbeit mit quäldich-Reisen nun schon einige Jahre lang geführte Rennradreisen im Erzgebirge und Riesengebirge organisieren, die maximal vier bis fünf Tage dauern, sollte es nun ein ganzes Stück länger auf Reise gehen. In die Ferne eben. Vom sächsischen Elbflorenz in das 500 km entfernte polnische Krakau. Aus 500 km Luftlinie wurde eine etwa 1300 km lange Rennradstrecke gebastelt, die auf anspruchsvolle acht Etappen verteilt werden sollte. Die Hotels organisierte Alex, das umtriebige erzgebirgische Urgestein aus Olbernhau. Anfang des Jahres waren die Hotels und damit die Etappenzielorte fix und es ging an die Feinplanung. Die Detailplanung dauerte eine halbe Ewigkeit. Einige schöne Bergpassagen im wilden Osten mussten mit einer Träne im Auge verworfen werden. „Nach 6 Tagen fährt doch niemand mehr von den Gästen 180 km Tagesetappen mit über 3000 Hm durch die Hohe Tatra“, war ich mir ziemlich sicher und zweifelte an der ganzen Tour. Was nützt es, wenn man nach Krakau fährt, aber die ganzen Schönheiten der Sudeten und Karpaten links liegen lassen muss, weil es sonst die Teilnehmer überfordern würde? Sorgfältig entschärfte ich die Route – ein wenig. Die Strecke blieb somit schön, aber eben auch anspruchsvoll. Hoffentlich für alle machbar. Am Ende stand die finale Planung fest. Über 1200 km und 16000 Höhenmeter durch nicht weniger als acht Gebirge. Einige davon auch Neuland für mich.
Eine gewisse Unsicherheit blieb. Die übliche Anspannung vor einer Premiere. Dann aber Zuversicht durch die positive Wettervorhersage einige Tage vor dem Start. Westwind bei der Tour in den Osten! Die letzten Tage vor dem Start waren dennoch stressig. Die GPS-Tracks galt es abermals auf Fehler zu checken, die Roadbooks für jede Etappe zu schreiben, möglichst ideal im Etappenprofil gelegene und ebenso schöne Pausenstandorte festzulegen, wo wir entweder ins Restaurant gehen würden oder Alex ein leckeres Buffet herbei zaubern sollte.
Openstreetmap-Karten in allen Zoomstufen, Google Earth und Streetview waren mein Helfer über viele Stunden bis spät in die Nacht vor dem PC sitzend. Tracks und Karten auf die GPS-Geräte aufspielen. Martin und Andre als Guides für Gruppe zwei und drei die nötigen Instruktionen für die ersten Etappen geben. Mit Alex, der die Reiseleitung übernahm, hatte ich nun auch alles abgesprochen und meine Reisetasche gepackt. Am Tag vor dem Start war ich gegen 22 Uhr endgültig bereit für eine Woche mit viel Rennradfahren und ebenso viel Verantwortung. Acht Tage lang früh 7 Uhr aufstehen, frühstücken, 9 Uhr auf das Rennrad und 24 Uhr, nach dem Abendessen, Waschen der Radbekleidung, Guidebesprechung und dem Hochladen des Foto- & Tagesbericht auf die Facebookseite von quäldich, geschafft ins Bett fallen.
E1: Durch Elbsandsteingebirge und über den Jeschken
Start am 7. Juli – 9 Uhr Treff an der Frauenkirche. Nach wenigen krankheitsbedingten Absagen standen da ganze 24 Teilnehmer und drei Guides vor der Frauenkirche am Neumarkt und posierten im Fokus von Alex Kamera vor der Frauenkirche. 10 Uhr erfolgte der Start in drei Leistungsgruppen, wie es bei quäldich.de-Reisen guter Standard ist. Worüber macht man sich als verantwortungsbewusster Streckenplaner und Guide am meisten Gedanken? Weniger über die Schönheiten entlang der Strecke, sondern, das alle gesund und sturzfrei bleiben. Unfallfrei über Straßenbahnschienen kommen, es keine kritischen Situationen auf dem Elberadweg gibt und generell: das niemand über notwendige Streckenabschnitte auf größeren Straßen meckert, die vielleicht doch mal etwas stärker befahren sind. Dazu noch das Gegenteil, so manche Apshaltprinzessin sich nicht zu sehr über die ein oder anderen Schlaglochpiste ärgert.
Auf der anderen Seite unser Trumpf: Die für viele Gäste unbekannte traumhafte Landschaft entlang der Sudeten und Westkarpaten, die leckere Verpflegung, unser eingespieltes Team und das Wetter.
Die erste Etappe wurde zu einer runden Sache. Mittagessen in Ruzova, ein idyllisches neuasphaltiertes Kitlyce-Tal, die Auffahrt zum Jested, die Ankunft am Grand Hotel in Liberec, wo alle nur „Wow“ staunten. 146 km mit 1900 Hm.
E2: Isergebirge & Riesengebirge
Etappe zwei war mir weitestgehend bekannt. Erst wenige Wochen vorher fuhr ich extra noch den Abschnitt durch das Isergebirge ab. Die Gruppen fanden sich und zwischen den Teilnehmern wuchsen Verbindungen, es wurde viel gequatscht und ab und an einfach nur im Rausch die Natur genossen. Einen imposanten Ausblick schenkte uns der Anstieg zur Vrbatova Bouda. Ein Panorama hinüber zur Elbquelle und bis zur 1603 m hohen Schneekoppe. Zum späten Mittagessen gab es für mich Entenkeule mit Rotkraut und Knödel. Für andere riesige selbstgemachte Heidelbeerknödel. Allesamt tschechische Spezialitäten. 132 km und 2400 Hm standen bei allen am Abend auf dem Tageskonto.
In Mlade Buky hatten wir das Hotel mit dem wohl schönsten Feeling. Nicht weil es ein Golfhotel war, sondern wegen der Lage und dem Sonnenuntergang über dem Riesengebirge.
E3: Idylisches Adlergebirge
In Voraussicht auf die harten noch folgenden Etappen der Fernfahrt, nahm der dritte Tag zu Beginn eher ungemütlich seinen Lauf. Die ersten Kilometer rollten mit teils viel Verkehr, aber dafür flach im Upa-Tal und dann weiter nach Polen. Stöhnen in der Gruppe wegen der Lastwagen auf der Europastraße. Oh je! Da hilft nur treten und fahren. Aber der Abschnitt war alternativlos, will man die Sudetenstraße durch das Adlergebirge in Angriff nehmen und nicht zu viele Zusatzkilometer fahren – und was dann im Adlergebirge folgte, war einfach nur herausragend und jede Mühe lohnend.
Flüsterasphalt auf kleinen Straßen im wenig bekannten Adlergebirge. Das Tagesziel in Velke Losiny war nicht mehr weit. Die 150 km und 1700 Hm waren gegen 17 Uhr im Sack. Kräfte gespart. In Gruppe 1 gab es eine kleine motivierte Auswahl, die noch Dlouhe Strane in Angriff nahm. 900 Hm zum Oberbecken des größten tschechischen Pumpspeicherwerkes. Landschaftlich vom feinsten. Am Ende nicht weniger als 200 km und 2800 Hm.
E4: Altvatergebirge und Mähren
Die vermeintliche Königsetappe der Reise fiel etwas ins Wasser. Der Dienstag startete noch trocken. Im Altvatergebirge öffnete der Himmel seine Schleusen und es regnete. Nur Jochen und Tilo fuhren bis auf den 1492 m hohen Praded, eigentlich ein Highlight der Reise. Alle anderen steuerten durch das wellige Mähren das noch weit entfernte Tagesziel in Frenstat an. Es wurde ein langer Tag mit 170 bis 190 km für alle. Und als Belohnung für das erbrachte Tagwerk? Die Aussicht am nächsten Tage eine komplette Regenetappe fahren zu müssen! Kippt die Stimmung?
E5: Beskidendurchquerung
Wie immer starteten wir pünktlich 9 Uhr die Etappe. Zum Glück erwischten wir eine kurze Regenpause und es war zumindest von oben trocken. Nach einer knappen Stunde wurde es in den Beskiden unterhalb der Lysa Hora aber sehr feucht. Gruppe eins bekam nur einen kurzen Regenguss ab. Gruppe zwei und drei im Laufe der Etappe umso mehr. Ungerechte Welt. Am Ende des Tages nicht zu viel Begeisterung bei den Gästen über die 150 km lange Überführungsetappe. Allen voran der ruppige Verkehr in der Slowakei gegen Ende der Etappe sorgte für ein wenig Unmut. Naja, zwei Tage trübes Wetter, trüben eben auch die Stimmung etwas. Mit viel Kofola, der kultigen tschechisch-slowakischen Kräutercola und deftigem Essen ging es aber auszuhalten. Ein richtiges Erfolgserlebnis musste dennoch her und das sollte uns der nun schon sechste Tag bescheren.
E6: Rund um die Hohe Tatra
Strahlend blauer Himmel bei der Umrundung des kleinsten Hochgebirges der Welt. Das abermals mindestens an die 170 km Etappenlänge für alle auf dem Tagesmenü standen, traute ich mich am Vorabend bei der Streckenvorstellung kaum noch zu erwähnen. Unbegründet! Alle schafften auch die sechste Etappe und das auch meist noch mit Zusatzschleifen in der Hohen Tatra. So besuchten wir Strbske Pleso, Popradske Pleso und schlugen am 1670 m hohen Sliezsky Dom an. 192 km und 3200 Hm. In allen Belangen die Königsetappe der Reise. Am Ende des Tages in Zakopane herrschte volle Befriedigung bei uns, allen voran auch bei mir, weil wir nun doch alles gefahren sind, wie es in der ursprünglichen Planung vorgesehen war. Da ging ein kleiner Traum in Erfüllung. Applaus für Gruppe drei, die erst nach 19 Uhr das Hotel in Zakopane erreichte.
E7: Östlich der Hohen Tatra
Es blieb uns ein weiterer Tag im lebhaften polnischen Urlaubsort Zakopane – und der Luxus einmal keine Reisetasche packen zu müssen. Ein Teil unserer Reisegruppe nutzte den Freitag um sich zu erholen. 14 Radler erkundeten die Zipser Magura, eine kleine aber feine Gebirgsregion östlich der Hohen Tatra. Nach gefahrenen 110 km stellte Alex aus Gruppe eins sogar die Frage, ob das nicht sogar die Königsetappe der Tour war!?
E8: Triumphfahrt nach Krakau
Nun folgte „nur“ noch unsere Fahrt von Zakopane nach Krakau. Es waren die letzten 132 km für die bereits müden Oberschenkel. Alle spürten die Belastung der letzten Tage und noch einmal war mächtig Betrieb auf den Straßen Polens. Einerreihe fahren und bei Stille in der Gruppe einfach fahren. Beim Rennradfaren gibt es nichts geschenkt, auch kein Finish in Krakau. Viele Wellen vor den Toren von Krakau mussten wir noch bezwingen, um dann auf wirklich verkehrsarmen Straßen und Radwegen in die frühere Hauptstadt Polens zu rollen. Gänsehaut bei der Fahrt über die Weichsel. Triumphfahrt durch die Stare Miasto, der historische Altstadt von Krakau. Wir haben es geschafft! 15 Uhr waren wir am Hauptmarkt und stoßen in voller Zufriedenheit über das Erlebte mit Bier, Cappuccino und Kakao an.
Noch etwas Sightseeing am Abend und schon ging es im Reisebus am Sonntag morgen nach Dresden zurück. Am diesigen südlichen Horizont in weiter Ferne das Altvatergebirge, das Adlergebirge und Ausläufer vom Riesengebirge erahnend. Mit dem Blick für die Landschaft eine kurze Zeitreise rückwärts in die sächsische Landeshauptstadt, wo unsere Tour neun Tage vorher begann. Schön war es!
Dankeschön
Ein großer Dank gilt natürlich den Teilnehmern, die zahlreich an unsere Idee einer Fernfahrt nach Krakau glaubten und mit einer Konstanz Tag für Tag auf’s Neue zeigten, was sie leisten können. Das es für meine sportive Gruppe kein großes Problem ist, so eine Tour zu meistern, war klar. Gruppe zwei und vorallem drei saßen jeden Tag etwa eine Stunde länger auf dem Rad und meisterten die anspruchsvolle Strecke dennoch mit Bravour. Dabei ging mit ganz wenigen Ausnahmen die positive und freundliche Grundstimmung untereinander niemals abhanden. So soll es sein!
Martin und Andre, die als Guides ehrenvoll uneigennützig ihren Urlaub nutzen, um die Verantwortung für eine Reisegruppe zu übernehmen. Spätestens nach der ersten Etappe war meinerseits volles Vertrauen da, das sie ihre Gruppen jeden Tag aufs neue souverän und cool in das Etappenziel bringen. Wir hatten keinen einzigen Sturz im Feld zu verzeichnen. Klasse!
Alex, der vorantreibende Büffel mit einem knallharten Willen. Alex kenne ich seit vielen Jahren, er sorgt immer wieder mit neuen Initiativen, Ideen und viel Einsatz dafür, dass es überhaupt diese und andere Radreisen und (Jugend)-Sportveranstaltungen gibt, wo alle Beteiligten von zehren können. Ein ganz großer Verdienst.
Jan und sein Team, die mit quäldich.de eine erstklassige Internetpräsenz geschaffen haben, die fast jeder Rennradfahrer im deutschsprachigen Raum kennt. Das Pässelexikon ist Kult! Zwischen Jan, Alex und mir besteht eine freundschaftliche, faire und vertrauensvolle Zusammenarbeit. Seit einigen Jahren organisieren wir Radreisen und auch in Zukunft wird es weiterere geführte Rennradreisen von uns geben.
Nicht zu letzt ist es auch die großzügige finanzielle Unterstützung durch quäldich.de, die mir hilft, meinen Rennradtraum weiter und weitestgehend unabhängig so leben zu können, wie ich das möchte und wenig Erfolgsdruck von außen unterworfen zu sein!
Meine weiteren Rennradreisen:
– Sierra Nevada Umrundung – September/Oktober 2018
– Bergtraining Teneriffa – Februar 2019
– Vuelta a Andalucia – Mai 2019