240 km, 5200 Hm, 16 Anstiege
Ein Ötztaler Radmarathon mit Start und Ziel in Dresden. Die Heimat Light ist die sächsisch-böhmische Antwort auf den bekanntesten Alpenmarathon. Die Kennzahlen der Light sind respekteinflößend: 240 km und 5200 Hm, die auf nicht weniger als 16 Bergen zwischen Dresden und Usti nad Labem überwunden werden müssen. Das ganze Anfang April. Bereits seit vielen Jahren hat die Heimat Light ihren festen Platz im Kalender der Vorbereitungstouren der Elbspitze. Anfang April ist das der erste Bergmarathon, wo der Körper auf die kommenden Aufgaben vorbereitet werden soll. Allen voran für die Elbspitzler und solche die es werden möchten, ist das eine echte Generalprobe. Bei einem erfolgreichen Finish wird man Anfang Juli mit viel Selbstvertrauen von Dresden zum Mangrt in Slowenien starten können. Ein Test für die Ausdauer, Bergfestigkeit und den Kopf. Letzterer sollte dieses Jahr ganz besonders stark beansprucht werden.
35 Teilnehmer 7 Uhr am Start in Dresden
Die Wettervorhersage war eher durchwachsen. Naja, eher so schlecht, dass ich mir gar nicht erst die Mühe machte, die Vorhersage genauer zu studieren. Nass sollte es am Vormittag werden, dazu mit einstelligen Temperaturen wenig frühlingshaft. Ich staunte nicht schlecht, als ich etwas verspätetet kurz nach 7 Uhr 35 RadsportlerInnen am Körnerplatz erblicken konnte. Einrollen zum Borsberg. Erster Anstieg der Light und wohl der schwerste Berg im Dresdner Stadtgebiet. 18% Maximalsteigung und ruppiges Kopfsteinpflaster im unteren Abschnitt.
Bei den nasskühlen Bedingungen gar nicht so verkehrt, um auf Temperatur zu kommen. Ein kurzes Warten im Schönfelder Hochland auf das bereits zerstreute Feld und schon setzte sich die große Gruppe wieder in Bewegung. Noch konnte man in motivierte Gesichter blicken, doch auf dem Weg in die Schächsische Schweiz fragten sich wohl immer mehr, ob es so vernünftig ist, sich bei 4°C und Regen immer weiter von Dresden und der warmen Stube zu entfernen. Die Motivation sank und der Wasserspiegel in den Schuhen stieg.
Abfahrten als Scharfichter
Normalerweise stellen die Anstiege die zu bewältigenden Hürden der Heimat Light dar. Doch bereits auf der Fahrt nach Decin zeigte sich, dass die abfallenden und flachen Streckenabschnitte zu den Scharfrichtern des Vormittages werden. Zu kalt wurde es. Falsche Bekleidungswahl, keine Schutzbleche oder schlicht keine Freude bei solchen Bedingungen Rad zu fahren. Die Light mutierte zur Leid.
Selektion 1 in Bad Schandau, Selektion 2 in Decin und Selektion 3 hinter Folknare. Bereits nach gut 2 Stunden Fahrzeit überlegten es sich mehr als 20 Fahrer anders und kehrten nach Dresden zurück. Sicher nicht unvernünftig bei den äußeren Widrigkeiten. Eine Gruppe mit noch etwas mehr als 10 willigen Marathonösen zog weiter seine Bahnen auf der Originalstrecke der Light.
Heimat Light meets Krusnoton
Ein Grund noch nicht so schnell umzudrehen, war der Verpflegungspunkt, den Jirka und Jan, zwei Organisatoren vom Krusnoton, extra für das Fahrerfeld in Rychnov nach gut 90 km organisiert hatten.
Liebevoll aufgebaut, gab es in bester Krusnoton-Manier warmen Tee und allerhand Verpflegung. Bananen, Gels und Riegel. Praktisch jeder Wunsch wurde uns von den Lippen abgelesen. Nur der Wunsch nach Wetterbesserung wollte sich nicht einstellen und eine stark besetzte Gruppe u.a. mit Thomas, Björn, Marcus und Piegsmähn kapitulierte und fuhr direkt weiter nach Decin.
Carsten, Stefan, Frank, Jirka und ich fuhren nun doch recht einsam weiter über Ovesna in Richtung Decin, wo mit der steilen Belska-Rampe und Jaluvci die letzten beiden Anstiege vor der Halbzeitpause in Angriff genommen wurden. Stefan war wie immer gut drauf und konnte über die in jeder Abfahrt fortwährende Malträtierung seiner Koblenzer Edellaufräder sogar noch Witze machen. Carsten hatte wohl öfters eine Sonnenbrille auf und freute sich über die landschaftlich schöne Strecke.
Bei Frank, da ist eh alles klar. Pure Leidenschaft fürs Radfahren, da wird halt durchgezogen, egal ob es regnet oder wir nach einem 350 km Brockenritt 3 Uhr nachts in Oschatz stehen und auf der B6 nach Dresden zurück müssen. Mit Jirka vom Krusnoton gab es allerhand zu bequatschen, so dass die Kälte und Nässe geistig einfach zu unbedeutenden Nebenrollen degradiert wurden.
Am Tesco in Decin wurde die Speicher nachgefüllt. Carsten spendierte Rührkuchen und ich füllte meine drei Flaschen mit Wasser und etwa 400g Kohlenhydratpulver, das mich während der zweiten Streckenhälfte mit ausreichend Energie versorgen sollte und mir vor dem Tesco freundliche Grüße von etwas bizarr anmutenden Gestalten einbrachte, die in dem weißen Pulver wohl etwas anderes gesehen haben.
Kurz bevor wir gut gestärkt wieder losmachen wollten, erreichte noch Steffen den Tesco. Ziemlich erschöpft und klappernd stand er da und berichtete von Bert, der ohne Handschuhe auch noch auf der Strecke war, aber wohl einen Plattfuß erlitten hatte. Da waren noch mehr auf der Light unterwegs, als wir dachten. Aber die Temperaturen luden nicht zum verweilen ein, sodass wir uns wieder auf die Strecke machen mussten. Gezittert wurde schon genug.
Javorsky, Zezice, Chuderovec und Naklerov
Der Kernteil der Heimat Light stand nun bevor. Von oben war es trocken und auch der Asphalt auf der Straße hellte sich immer mehr auf. Ganz passables Radfahrwetter herrschte mittlerweile und im guten Marathontempo ging es die Berge im böhmischen Mittelgebirge hinauf.
Freilich etwas langsamer als gewünscht, aber die Gruppe rollte harmonisch über die Rampen von Javorsky vrch. Ganz ohne Materialverlust sollte die Tour nicht bleiben. Ob ein edler Fausto Coppi Stahlrahmen oder gebrochene Carbonlaufräder. Materielle Ofper wurden in der Vergangenheit auf der Light schon genug erbracht. In der Abfahrt nach Usti brach zum Glück nur einer von Franks Flaschenhaltern. Ich war mit Rucksack unterwegs und über jedes Zusatzgewicht dankbar und sei es nur eine Flasche.
Im neblig trüben Naklerov angekommen, verabschiedeten wir Jirka und stürzten uns in die High Speed Abfahrt, die wir wenige Minuten zuvor noch hinauf gefahren sind. Stefan schüttelte insgeheim wohl nur noch den Kopf. Für die Streckenplanung darf er sich bei Sirko bedanken…
Das Finale ab Krupka
Auf der E nach Krupka war etwas die Luft raus. Den Südhang des Erzgebirges und das Mückentürmchen, was sich immer mal wieder in den Wolken verhüllte, hatten wir vor Augen und gönnten uns noch eine kurze Pause. 4000 Höhenmeter steckten bereits in den Beinen und mit dem Anstieg zum Türmchen sollte der schwerste Anstieg jetzt folgen. 505 Hm auf 5,5 km Länge. Mit reichlich 300 Watt über 23:19 min gab ich mich auf dem Gipfel dann auch zufrieden – mit dem Tag und mit der Leistung.
Ich genoss die triste Stimmung auf dem nebelverhangenen Gipfel von Komari Hurka und besorgte für die anderen drei schonmal eine Cola. Von Jan, dem Chef von quaeldich.de, erreichte mich eine SMS, er steckte mit dem Rennrad in meterhohen Schneewehen am polnischen Spindlerpass fest und fragte wie das Wetter bei uns sei. Ich musste schmunzeln. Schlimmer geht scheinbar immer. Frank erreichte als nächster das Mückentürmchen und auch Stefan und Carsten ließen nicht lange auf sich warten.
2°C und kein Ausblick. Für Landschaftsgenuss hatten wir heute definitv den falschen Tag ausgewählt und traten den Heimweg nach Dresden an. Ein paar Lamas auf den Gebirgswiesen von Fojtovice standen da. Viel los war nicht auf dem Erzgebirgskamm.
Die berüchtigte Muur du Bärenstein empfang uns erst mit dem 20% Steigungsschild und dann mit ihren Rasenpflastersteinen. Um Stefan wurde es wieder ruhiger. Ein gutes Zeichen! Hinterließ die Strecke also auch bei dem sonst so redefreudigen Eisenbahner Spuren. Im Müglitztal leerte sich nun auch mein Tank langsam aber sicher. Am Mückentürmchen füllte ich noch frisches Wasser auf, doch diesmal war das ungenießbar und schmeckte nach Chlor und Spülmittel. Die Erlösung kam in Form von Friedel aus Dresden. Er begleitete uns auf den letzten 25 km, spendierte mir frisches Wasser und spendete uns allen reichlich Windschatten. Maxen, Babisnau waren schnell geschafft. Über 5000 Höhenmeter hatten wir alle auf der Uhr. Ein paar Finisherfotos während der Fahrt und dann traten alle geschafft, aber zufrieden ihren Heimweg an. Eine strapaziöse Heimat Light, die nach einem Tag mit Plempe, Bananen und Rührkuchen nun mit einem Döner am Schillerplatz belohnt wurde, der meinen nahenden Hungerast in die Schranken wies.
Bildergalerie
Bilder u.a. von Arno, Steffen, Friedel. Bildbearbeitung von Arno. DANKE!
Respekt Jungs und schön geschrieben, zum Glück hatte ich beim Lesen warmen Kaffee, sonst wäre ich wohl erforen 😉
Super diese Zusammenfassung der Heimat leid und auch hier nochmal „Helm hoch“ allen Finishern aber auch allen Startern.
„Die Motivation sank und der Wasserspiegel in den Schuhen stieg“ Einfach nur geil geschrieben :-)))
Klasse Leistung Ihr Verrückten! Nächstes Mal bei besserem Wetter versuche ich es auch nochmal.
Versprochen!
Dauerregen bis Görlitz nach der Auffahrt Hohnstein hat mir an diesem Tag voll gereicht.:-)
Sau stark Robert !!! Toller Bericht. Immer wieder gut zum Lesen.
Ganz viel Erfolg 2016 und bleibt sauber und so ein prima Kerl!
Schöne Bericht Robert, coole Bilder. Ich habe an dem Sonntagabend in Gedenken an die vermeintlich vielen Opfer des Tages in Montevergine ein Gebet zum Radsportgott gesprochen, dass er euer Leid erhört und absofort gnädiger mit uns umgeht!
… und „Schafbrücke“, der Anstieg nach dem Mückentürmchen, ist im Streckenprofil unterschlagen
Merkt doch keiner 😉 Geht das überhaupt noch als Anstieg durch?
Denk mal über einen http://www.petzracing.com Blog nach 🙂 Schön geschrieben.
Hi Robert,
bei dem Wetter sone Strecke durchzufahren, ist schon eine sehr sehr starke Leistung. An Alle die überhaupt an diesen tag am Körnerplatz standen meine Hochachtung.
Schreibst Du mal ein wenig über die richtige Ausrüstung. mein Rennradl hat keine Schutzblechösen.
Hallo Micha!
Zur „richtigen“ Aurüstung. Ich bin da sicherlich nicht der beste Ansprechpartner 😉 Hinten fahre ich ein Steckschutzblech, was an der Sattelstütz geklemmt wird und super schnell zu (de-)montieren ist. Besser sind die SKS Raceblades, die auch ohne Ösen funktionieren. Frank und Stefan fahren die. Früher bin ich mal die Crud RoadRacer gefahren. Sind leicht, weniger stabil, nicht so schnell zu wechseln, wie die SKS, aber dafür optisch nicht so dominant am Rad.
Viele Grüße
Robert